Die Gemeindeverwaltung stellt sich vor: 1. Die Kläranlage

10. 02. 2022

Wasser gilt als Quelle des Lebens und spielt seit Menschengedenken eine wichtige Rolle. Für die griechischen Philosophen der Antike bildete Wasser die Grundlage jeder Materie.

Wasser ist tatsächlich in vielerlei Hinsicht die unverzichtbarste Lebensgrundlage für Mensch und Natur. Diese Lebensgrundlage zu erhalten und zu schützen ist nicht nur eine wichtige Aufgabe, sondern vielmehr dauerhafte Verpflichtung. Mehr als 120 Liter täglich werden in Deutschland pro Person im Durchschnitt verbraucht. Sämtliches Wasser, das bei uns im Abfluss der Dusche, des Spülbeckens oder der Toilette verschwindet, muss in Kläranlagen gereinigt werden.

Luftbild von 2006 nach der Sanierung
Luftbild von 2006 nach der Sanierung

Die erste Kläranlage in Appenweier wurde 1960 in Betrieb genommen und 20 Jahre später erweitert. 1991 wurde festgestellt, dass die Kläranlage hinsichtlich der Stickstoffelimination zu klein ist. Im Jahr 2000 schließlich forderte das Landratsamt Ortenaukreis, die Kläranlage auszubauen. Nach langwierigen Planungen erfolgte im September 2003 der Spatenstich zur Generalsanierung. Genau drei Jahre später konnte die sanierte Kläranlage im September 2006 eingeweiht werden.

Nachdem die wasserrechtliche Genehmigung für das Einleiten des geklärten Wassers in den Durbach-Kammbach-Wannenbach-Kanal im Korker Wald am 31.12.2018 abgelaufen war, wurde festgestellt, dass die Kapazität der Kläranlage nicht mehr ausreicht. Die Kläranlage war auf einen Einwohnerwert von 12.300 ausgelegt.

Der Einwohnerwert (EW) ist eine Kennzahl, der die Schmutzfracht im Zulauf einer Kläranlage angibt. Er beschreibt die Summe der Schmutzfracht aller angeschlossenen Einwohner. Diese ergibt sich aus den Schmutzfrachten der Abwässer aus Privathaushalten und Gewerbe. Der Einwohnerwert entspricht der Schmutzfracht zur Kläranlage, die für einen durchschnittlichen Einwohner erwartet werden kann und bildet dadurch das gesamte Einzugsgebiet der Kläranlage vereinfacht durch nur einen Kennwert ab.

Eine Auswertung der Bestandsdaten ergab, dass bereits ein Einwohnerwert von 14.500 vorlag. Daraufhin wurde vom Gemeinderat 2019 eine umfangreiche Erweiterung der Kläranlage mit einer Reserve beschlossen. Bis 2024 soll die mögliche Zuflussmenge von 103 L/s auf 140 L/s erhöht werden. Es werden zwei neue Nachklärbecken gebaut, die Sauerstoffregelung und Messtechnik erneuert, die Regenüberlaufbecken saniert und einiges mehr. Die erneute Sanierung wird die Gemeinde etwas mehr als 10 Millionen Euro kosten.

Funktionsweise der Kläranlage

Der Zulauf mit der Schneckenpumpe und das Pumpenhaus
Der Zulauf mit der Schneckenpumpe und das Pumpenhaus

Das Abwasser der angeschlossenen Orte Appenweier, Nesselried und Urloffen wird über das Kanalsystem zur Kläranlage befördert. Die Menge des einlaufenden Wassers wird permanent gemessen. Vom Pumpensumpf wird das Wasser mit Hilfe einer Schneckenpumpe über das Pumpenhaus in das Rechenhaus gefördert. Wenn die Schneckenpumpe nicht ausreicht, stehen zwei Tauchmotorpumpen bereit.

Wenn bei starkem Regen die gemessene Einlaufmenge die zulässige Mischwassermenge (Abwasser plus Regenwasser) überschreitet, schaltet sich eine Regenwasserpumpe hinzu, die das abgeschlagene Mischwasser über ein Zulaufgerinne in die beiden Regenüberlaufbecken leitet. Diese haben ein Fassungsvermögen von jeweils 1.200 m³. In Abhängigkeit vom Abwasservolumenstrom wird das zurückgehaltene Mischwasser im freien Gefälle zum Pumpensumpf zurückgeleitet.

Die beiden Regenüberlaufbecken
Die beiden Regenüberlaufbecken
Der Rechen
Der Rechen

Im Rechenhaus durchläuft das Abwasser einen Filterstufenrechen mit 4 mm Stababstand. Er hat die Aufgabe, Grobstoffe aus dem Abwasser zu entfernen. Dabei handelt es sich durchwegs um Objekte, die nicht in die Toilette und nicht in den Kanal gehören: Damenhygieneartikel, Babywindeln, Textilien, Feuchttücher, etc. Der Rechen entnimmt dem Zulauf pro Quartal etwa 1,5 Tonnen Grobmaterial. Dieses wird entwässert und der weiteren Entsorgung zugeführt.

Vom Rechenhaus fließt das Wasser weiter ins Freie, in den Sand- und Fettfang. In den beiden fast 18 Meter langen Becken werden mineralische und fetthaltige Abwasserinhaltsstoffe abgeschieden und direkt in den Faulturm verbracht. Diese Abscheidung ist notwendig, um die nachfolgenden Einrichtungen der Kläranlage, insbesondere die Pumpen, vor Verschleiß und Verstopfungen zu schützen. Der Sand wird gewaschen und gelagert. Pro Jahr fallen bis zu 8 m³ Sand an, die für den Straßen- oder Kanalbau verwendet werden können.

Der Sand- und Fettfang, dahinter das Vorklärbecken
Der Sand- und Fettfang, dahinter das Vorklärbecken
Das Vorklärbecken
Das Vorklärbecken

Anschließend geht es ins Vorklärbecken. Es fasst 240 m³ und wird auf 24 Metern längs durchströmt. Absetzbare Stoffe sinken zu Boden. Der so genannte Primärschlamm wird mit einem Schildräumer in den Schlammtrichter geschoben und in einen Sammelschacht zwischen Sandfang und Vorklärbecken abgezogen. Von dort wird der Primärschlamm in den Faulturm geleitet und weiter behandelt.

Das Belebungsbecken
Das Belebungsbecken

Nach dem Vorklärbecken ist die mechanische Reinigung des Wassers abgeschlossen. Aber der überwiegende Anteil an Schmutzfracht im Abwasser sind äußerst fein verteilte Partikel. Diese nicht absetzbaren Stoffe werden bei der biologischen Reinigung von Mikroorganismen als Nahrung aufgenommen und in feste, absetzbare Substanz umgewandelt. Über eine Dükerleitung gelangt das vorgereinigte Abwasser in das so genannte Belebungsbecken mit einem Gesamtvolumen von 1.800 m³.

Das Belebungsbecken ist in zwei Kaskaden mit jeweils vier Kammern aufgeteilt. Zuerst wird bei der Nitrifikation der im Abwasser als Ammoniumstickstoff vorliegende Stickstoff durch spezielle Bakterien, den Nitrifikanten, zu Nitratstickstoff oxidiert. Diese Reaktion erfordert hohen Sauerstoffbedarf, der ins Becken eingeströmt wird. Bei der folgenden Denitrifikation beziehen wiederum andere spezielle Bakterien, die Denitrifikanten, den für ihren Stoffwechsel nötigen Sauerstoff aus dem im Nitrat gebundenen Sauerstoff. Vereinfacht gesagt reduzieren diese Bakterien den Nitratstickstoff zu elementarem Stickstoff (N2), der in die Umgebungsluft entweicht.

Die letzte Station des Abwassers in der Kläranlage ist das Nachklärbecken. Es hat die Aufgabe, den belebten Schlamm vom biologisch gereinigten Abwasser zu trennen. Zugleich soll der Schlamm für die Rückführung in das Belebungsbecken gesammelt und eingedickt werden. Durch die Eindickung wird die Biomasse konzentriert, was zu einer Beschleunigung der Abbauprozesse im Belebungsbecken führt.

Das gereinigte Abwasser aus dem Nachklärbecken läuft über eine gezackte Ablaufrinne ab und wird über eine 2,2 Kilometer lange geschlossene Leitung westlich der Autobahn in den Durbach-Kammbach-Wannenbach-Kanal eingeleitet. Der Bodenschlamm wird mittels Schildräumer in den Schlammtrichter geschoben und als Rücklaufschlamm ins Belebungsbecken bzw. als Überschussschlamm weiter in den Voreindicker gefördert.

Der Voreindicker (auf dem Foto vor dem Nachklärbecken) mit einem Volumen von 160 m³ dient als Behälter für den Überschussschlamm aus der biologischen Stufe. Das heute als Voreindicker verwendete Becken war in der ersten Kläranlage von 1960 als Nachklärbecken in Gebrauch.

Das Nachklärbecken
Das Nachklärbecken
Der Voreindicker, dahinter das Nachklärbecken
Der Voreindicker, dahinter das Nachklärbecken
Der blaue Faulturm, links daneben der Schlammspeicher, rechts im Vordergrund die Gasbehälter, im Hintergrund das Belebungsbecken
Der blaue Faulturm, links daneben der Schlammspeicher, rechts im Vordergrund die Gasbehälter, im Hintergrund das Belebungsbecken

Der Primärschlamm aus dem Vorklärbecken und der maschinell eingedickte Überschussschlamm werden in den Faulturm geleitet. Dort werden die leicht abbaubaren, organischen Bestandteile durch Bakterien bei etwa 35 Grad und unter Sauerstoffausschluss abgebaut. Dieser Prozess dauert circa 35 Tage.

Bei der Schlammfaulung fallen mineralisierter Faulschlamm und Faulgas an. Der ausgefaulte Schlamm gelangt zur Weiterbehandlung in einen Schlammspeicher (im Foto links neben dem Faulturm). Der Schlamm wird entwässert und gepresst. So entstehen täglich etwa 2,4 m³ Schlamm, der zur Firma Koehler in Oberkirch transportiert und dort zur Energiegewinnung verbrannt wird.

Das Faulgas besteht zu ca. 60 % aus Methan, 30 % Kohlendioxid und geringen Teilen anderer Gase. Es wird in zwei Gasbehältern mit einem Volumen von 300, bzw. 100 m³ gespeichert. Im eigenen Blockheizkraftwerk werden die bis zu 800 m³ täglich anfallendes Gas zu Heizenergie und Strom umgewandelt.

Das Hauptgebäude
Das Hauptgebäude

Im zweigeschossigen Hauptgebäude der Kläranlage sind die Leitstelle, die Sanitärräume, das Klärmeisterbüro und das Labor untergebracht. Im Labor wird die gesetzlich vorgeschriebene Eigenüberwachung der Kläranlage durch Analyse täglicher Proben sichergestellt.

Sämtliche Außenstationen wie die 19 Pumpstationen und die Regenüberlaufbecken im Einzugsgebiet der Kläranlage sind mit einem Fernwirksystem miteinander gekoppelt. Ablaufstörungen werden so früher und schneller erkannt.

Das Team der Kläranlage

v.l.: Mark Späth, Michael Haß und Marc Zöbisch
v.l.: Mark Späth, Michael Haß und Marc Zöbisch

Mark Späth ist gelernter Elektroinstallateur. Vor elf Jahren begann er bei der Gemeinde Appenweier als Elektriker auf dem Bauhof. Seit 2015 ist der 48-Jährige Leiter der Kläranlage, seit 2016 trägt er den Titel „Geprüfter Abwassermeister“ und seit 2017 ist er außerdem Appenweiers Gewässerschutzbeauftragter.

Michael Haß absolvierte in Achern seine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik und gehört seit knapp sieben Jahren zum Team der Kläranlage. Seit 2017 ist er außerdem Fachkraft für Abwassertechnik. Michael Haß feiert dieses Jahr seinen 29. Geburtstag.

Marc Zöbisch ist schließlich der Dritte im Bunde. Wie sein Vorgesetzter hat er eine Ausbildung zum Elektroinstallateur absolviert. Der 43-Jährige begann 2017 bei der Gemeinde Appenweier als Hausmeister/Elektriker in der Schwarzwaldhalle und ist seit Beginn dieses Jahres auf der Kläranlage.

Komponenten und Gebäude der Kläranlage

Übersicht

1. Zulauf/Pumpenhaus
2. Rechenhaus
3. Sand- und Fettfang
4. Vorklärbecken
5. Belebungsbecken
6. Nachklärbecken
7. Voreindicker
8. Faulturm
9. Schlammspeicher
10. Gasbehälter
11. Trafostation
12. Schlammhalle
13. Werkstatt
14. Hauptgebäude

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